Tod und Trauer

Ratgeber / Kind & Familie

Tod und Trauer - Gemeinsame Rituale können helfen

26.04.2024 / von 

Ein Todesfall in der Familie hinterlässt oftmals eine tiefe Lücke bei den Trauernden. Trauerbegleiterin Katharina Friederich teilt ihre Erfahrungen mit Hinterbliebenen und deren Umfeld.

Katharina Friederich
Trauer braucht in unserer Gesellschaft Raum. Diesen bieten wir im Trauercafé.

Katharina Friederich

Trauerbegleiterin

Katharina Friederich, wenn ein geliebtes Familienmitglied stirbt, sitzt der Schock oft tief. Wie können Hinterbliebene mit einem solchen Schicksalsschlag umgehen?

Wenn plötzlich ein Teil der Familie nicht mehr da ist, bringt dies alles durcheinander. Es herrscht ein Chaos, auf das jeder Mensch anders reagiert. Deshalb gibt es auch nicht den Universaltipp. Es gibt jedoch Taktiken, die helfen, sich trotz des Schocks über den erlebten Verlust im Alltag zurechtzufinden.

Wie sehen diese aus?

In Zeiten der Trauer ist es entscheidend zu wissen, was einem Halt gibt. Eine wichtige Rolle spielt das geschützte Umfeld: Freunde, die Familie, der Partner oder die Partnerin. Betroffene sollten zudem versuchen, einen Tagesrhythmus aufrechtzuerhalten. Struktur gibt Sicherheit, das gilt insbesondere für Kinder. Ich persönlich bin ein Fan von Ritualen.

Welche zum Beispiel?

Das können ganz kleine Dinge sein. Wichtig ist, dass es sich um bewusste, wiederkehrende, zeitlich fixierte und entlastende Handlungen handelt. Ein Ritual kann zum Beispiel sein, dass die trauernde Familie jeden Mittag eine Kerze anzündet, wenn der verstorbene Papi oder das Mami nicht mehr am Tisch sitzt.

Was können Trauernde tun, um sich nicht vom Schmerz «zerfressen» zu lassen?

Quälende Gedanken und Gefühle wie Wut und Verzweiflung dürfen und sollen sein. Eine Strategie kann sein, diesen Gedanken bewusst Raum und Ausdruck zu geben. Wichtig finde ich, diese dann aber wieder loszulassen und in den «Funktionsmodus» zu wechseln. Das wird nicht immer klappen, aber schon das Bewusstsein über die verschiedenen Gefühle kann helfen, ihnen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

Wie würden Sie (kleinen) Kindern den Tod erklären?

Je sachlicher, desto besser. Beschönigungen sind fehl am Platz und können die Kinder verwirren oder sogar Jenseitssehnsüchte auslösen. Stattdessen empfehle ich, den Kindern möglichst altersgerecht zu erklären, dass der Körper der geliebten Person aufgehört hat zu funktionieren, dass sein oder ihr Herz nicht mehr schlägt. Zudem kann es Trost spenden, gemeinsam mit den Kindern zu philosophieren und den Gedanken freien Lauf zu lassen.

Was meinen Sie damit?

Niemand von uns weiss, was nach dem Tod passiert. Im Umkehrschluss heisst das: Alles ist möglich. Bei den Kindern ist die Fantasie so ausgeprägt, dass ganz wunderbare Ideen aufkommen. Solche Dialoge können eine Kraftquelle sein, die sehr nährend sind. Auch Bilderbücher können helfen, mit der Trauer und den damit verbundenen Gefühlen umzugehen.

Sollten Eltern ihre Trauer gegenüber Kindern zeigen?

Wenn wir vorleben, wie wir Gefühle zulassen und regulieren können, hilft dies auch Kindern, mit ihrem Schmerz offen umzugehen. Kinder haben eine feine Antenne und spüren meist sowieso, wie es uns Erwachsenen geht. Deshalb ist für mich klar: Auch wenn es schmerzhaft ist, sollten wir den Weg der Trauer gemeinsam mit unseren Kindern gehen.

Was können Angehörige tun, um eine Familie im Trauerfall zu unterstützen?

Zeigen Sie Präsenz, bleiben Sie geduldig – und werten Sie nicht. Signalisieren Sie, dass Sie da sind, und leisten Sie konkrete Hilfe. Bringen Sie zum Beispiel eine frische Mahlzeit vorbei, oder übernehmen Sie die Kinderbetreuung für einen halben Tag.

Vergangenes Jahr haben Sie das Trauercafé in Riggisberg gegründet. Was passiert dort genau?

Themen wie der Tod oder die Trauer finden in unserer Gesellschaft oftmals nur im Hintergrund statt. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Trauer auch in unserer Gesellschaft einen Raum braucht. Diesen wollen wir bieten.

Wie erleben Sie den Kontakt mit und unter den Trauernden?

Der Austausch unter Gleichgesinnten gibt Kraft und Zuversicht. Es berührt mich immer wieder tief, wenn ich miterlebe, wie offen und respektvoll die Trauernden miteinander umgehen. Wer zu uns kommt, der spürt: Ich bin nicht allein.

Verschwindet die Trauer nach dem Verlust einer geliebten Person eigentlich jemals?

Ich glaube nicht. Die Trauer bleibt, aber sie verändert sich. Wichtig ist zu verstehen, dass die Trauer sehr individuell verläuft. Die fortschreitende Zeit kann aber dazu beitragen, dass es uns gelingt, besser damit umzugehen. Der Trauerprozess hat immer auch mit einer Selbstfindung zu tun.