Im Alltag kaum beachtet, für unsere Gesundheit aber lebenswichtig: Das Lymphsystem sorgt für Transport, Filtration und Immunabwehr in unserem Körper.
Viele kennen den Moment bei der Ärztin: Bei Erkältung oder Grippe tastet sie am Hals nach geschwollenen Lymphknötchen. Diese sind Teil eines weitverzweigten Netzwerks, das ständig im Verborgenen arbeitet: das Lymphsystem. Als Röhrensystem durchzieht es fast den ganzen Körper, hält unsere Körperflüssigkeiten im Gleichgewicht und schützt vor Infektionen. So hält es den Körper gesund, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen.
Das System besteht aus einem feinen Netzwerk mit Gefässen, Knoten und Organen. Im Gewebe starten winzige Lymphkapillaren, die sich zu grösseren Lymphbahnen verbinden. Durch diese Wasserstrassen fliesst die Lymphe, eine wässrige Flüssigkeit, die Proteine, Elektrolyte, Fette, Abfallstoffe, Zellen der Immunabwehr, Hormone und Enzyme enthält. «Man kann sich die Lymphgefässe wie kleine Kanäle vorstellen. Sie nehmen Flüssigkeit aus dem Gewebe auf, befreien sie von Schadstoffen und geben sie in den Blutkreislauf ab», sagt Andrea Meuthen, Apothekerin und Co-Betriebsleiterin. «So werden Zellreste, Mikroorganismen oder Fremdstoffe abtransportiert und die Flüssigkeitsmenge im Gewebe reguliert.»
Filterstationen zur Immunabwehr
Zwischen den Lymphgefässen liegen rund 500 bis 700 Lymphknoten. Diese kleinen Organe bilden Immunabwehrzellen, sobald dort Fremdstoffe ankommen. Sie filtern Krankheitserreger aus der Lymphe heraus und zerstören diese. Die Lymphknoten sind jeweils für eine bestimmte Körperregion zuständig, etwa am Hals, in den Achseln, im Brustraum oder der Leistenregion. «Sie arbeiten regional. Sitzt ein Infekt in einer bestimmten Region, ist der zuständige Lymphknoten oft geschwollen – ein Hinweis darauf, dass das Immunsystem aktiv ist», so die DROPA Expertin.
Zum Lymphsystem zählen auch Organe wie Milz, Thymusdrüse und Knochenmark sowie lymphatisches Gewebe der Schleimhäute als lokale Immunabwehr. Im Rachenraum, insbesondere in den Mandeln, dient dieses Gewebe als erste Abwehrbarriere gegen das Eindringen von Krankheitserregern über die Atemwege. Und im Blinddarm und Dünndarm hilft es, Keime aus der Nahrung abzuwehren.
Hauptaufgaben des Lymphsystems
- Abwehr von Krankheitserregern: Bevor die Lymphe zurück ins Blut gelangt, durchläuft sie mehrere Lymphknoten. Dort und im lympha-
tischen Gewebe erkennen Immunzellen eingedrungene Fremdstoffe und machen sie unschädlich. - Transport von Blutfetten: Fette aus der Nahrung können nicht direkt ins Blut aufgenommen werden. Sie gelangen vom Darm ins Lymphsys-
tem und von dort in den Blutkreislauf, wo sie vom Organismus verwertet werden. - Flüssigkeit ableiten: Aus den Geweben gelangt täglich überschüssige Flüssigkeit in die Lymphgefässe, die anschliessend im Blutkreislauf abtransportiert wird. Das körpereigene «Abwasserkanalnetz» verhindert, dass sich Flüssigkeit im Gewebe staut.
Achtung, Stau: Das Lymphödem
Wenn dieses ausgeklügelte Transportsystem ins Stocken gerät, staut sich Flüssigkeit im Gewebe – es entsteht ein Lymphödem. Häufig betroffen sind Arme oder Beine, oft beginnen die Beschwerden an den Zehen und Füssen. Meist ist die Schwellung einseitig und nimmt im Laufe des Tages zu. Allerdings können auch der Rumpf, der Hals- sowie Kopfbereich oder der Genitalbereich von einem Lymphödem betroffen sein. Diese Schwellungen sind selten angeboren, sondern oft Folge von grösseren Operationen, Bestrahlungen, Infektionen oder Eingriffen, bei denen Lymphknoten entfernt worden sind.
Ein Lymphödem ist nicht heilbar, aber behandelbar. Die wichtigsten Massnahmen sind Kompression durch Strümpfe oder Bandagen, die sanften Druck auf das Gewebe ausüben. Auch manuelle Lymphdrainagen und gezielte Bewegungsübungen sind zentral. «Es ist wichtig, das Gebiet zu entstauen und das Fortschreiten zu verhindern», erklärt die Apothekerin. «Damit sich die weiche, eindrückbare Schwellung nicht weiterentwickelt zu einem harten, stark veränderten Gewebe mit Hautveränderungen.»
Erkrankungen des Lymphsystems
Neben dem Lymphödem kann das Lymphsystem von weiteren Erkrankungen betroffen sein. Dazu gehören der Tumor des lymphatischen Systems – umgangssprachlich Lymphdrüsenkrebs – sowie eine Entzündung der Lymphknoten durch Bakterien und Viren. Erkrankungen wie Mandel- und Blinddarmentzündung oder Pfeiffersches Drüsenfieber wirken indirekt auf das Lymphsystem, weil sie Organe wie Mandeln, Blinddarm oder Milz betreffen.
Kann man dem Lymphsystem denn präventiv Gutes tun? «Das lymphatische System ist ein wichtiger Teil unseres Immunsystems», erklärt Andrea Meuthen. «Wer auf sein Immunsystem achtet – mit einem gesunden Lebensstil mit regelmässiger Bewegung, ausgewogener Ernährung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr, genügend Schlaf sowie dem Vermeiden von zu enger Kleidung –, hält zugleich das körpereigene Reinigungssystem in Schuss.»
Lymphdrainage – die Lymphe in Fluss bringen
Manuelle Lymphdrainagen kommen vor allem bei Lymphödemen oder Schwellungen nach Operationen, Verletzungen oder Bestrahlungen zum Einsatz. Mit einer speziellen Massagetechnik wird das Gewebe sanft entstaut. Dabei werden die Lymphgefässe stimuliert, um den Abfluss angestauter Flüssigkeit zu fördern.
Mit speziellen Grifftechniken entsprechend der jeweiligen Körperregion regt der Therapeut die Aufnahme von gestauter Flüssigkeit aus dem Gewebe in das Lymphgefässsystem an. Massiert wird häufig in Richtung des natürlichen Lymphabflusses – bei den Beinen von unten nach oben zur Leiste, bei den Armen von den Fingerspitzen zur Achselhöhle. Die Technik und passende Übungen sollte man sich stets von Fachleuten wie ausgebildeten Therapeuten zeigen lassen, damit die Entstauung auch zu Hause korrekt ausgeführt wird.