Mangelernährung

Ratgeber / Gesundheit

Mangelernährung im Alter

25.01.2021 / von 

Eine schmackhafte Mahlzeit spendet Kraft und Freude. Doch mit zunehmendem Alter nimmt der Appetit ab. Um trotzdem möglichst lange bei guter Gesundheit zu bleiben, ist eine ausgewogene Ernährung wichtig.

Ein Weggli am Morgen, eine kleine Fruchtwähe zum Mittag und ein Joghurt zum Nachtessen: So oder so ähnlich sehen die Essgewohnheiten vieler älterer Personen aus. Nicht nur der Appetit ist verloren gegangen, sondern auch die Lust am Kochen oder die Möglichkeit, sich an einen üppig gedeckten Tisch zu setzen. So unterschiedlich die Gründe für eine einseitige Ernährung sein mögen, eines steht fest: Mangelernährung hat einschneidende Auswirkungen auf den physischen und psychischen Gesundheitszustand. «In der Regel werden im Alter zu wenig Proteine aufgenommen, die zum Erhalt der Muskelmasse dringend gebraucht werden. Bewegung wird immer seltener und mit dem Muskelabbau schwindet die Körperkraft, die Darmfunktion nimmt ab und die Lebenslust sinkt», erklärt Susanne Siegrist, Drogistin in Oensingen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, braucht es Eiweiss, Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe, die ein Stück Fruchtwähe nicht abdecken kann. Doch warum nimmt gerade die Lust auf süsse Speisen im Alter zu?

Plötzlich schmeckt alles anders

Ab dem 60. Lebensjahr nehmen Geruchs- und Geschmackssinn ab. Grund dafür sind die Zellen, die sich nicht mehr so schnell erneuern oder sogar abbauen. Das Gleiche ist bei den Geschmacksknospen der Zunge der Fall. Während ein Säugling rund 10'000 davon besitzt, sind es beim Erwachsenen nur noch 5'000, und bis ins hohe Alter sinkt die Zahl auf etwa 900. Und wenn die Anzahl der Geschmacksknospen abnimmt, lässt auch die Sensitivität des Schmeckens im Alter nach. Die Geschmacksrichtungen süss, salzig, sauer, bitter oder umami (japanisch für «würzig, schmackhaft») verändern sich. Lieblingsgerichte bekommen plötzlich eine fade Note oder verlieren gar den Geschmack. Süsse Speisen bleiben bei älteren Personen beliebt, weil sich dieser Geschmack am wenigsten verändert. Gesunde Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse hingegen verlieren an Attraktivität, weil die Bitterstoffe stärker wahrgenommen werden. Um die noch vorhandenen Geschmacksrezeptoren zu stimulieren, greifen ältere Menschen gern auch zu mehr Salz. Langfristig kann dieser Überschuss jedoch problematisch werden, da er den Blutdruck in die Höhe treibt. Eine gesunde Alternative zu Salz sind frische Kräuter und Gewürze. Anis, Nelken, Ingwer und Kardamom beispielsweise verleihen Speisen nicht nur mehr Geschmack, sondern fördern auch die Verdauungssäfte.

Wenn der Appetit nachlässt

Neben der veränderten Geschmackswahrnehmung gibt es weitere Einflüsse, die den Appetit hemmen können. Für eine frühzeitige Sättigung sorgt zum Beispiel die zunehmende Aktivität von Cholecystokinin – ein Hormon des Magen-Darm-Trakts. Ebenso spielt eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit eine zentrale Rolle, denn diese unterstützt die Verdauung. Wenig oder keine Bewegung kann ebenfalls zu einem Erlahmen der Darmaktivität führen. Und auch Einsamkeit im Alter oder die Trauer um einen verlorenen Weggefährten oder geliebten Menschen schlagen auf Magen und Gemüt. Auf Dauer kann eine Mangelernährung jedoch weitreichende Folgen haben: von Gewichtsverlust über Muskel- und Knochenschwäche bis hin zu Depressionen.

Weniger ist mehr

Dass im Alter der Appetit abnimmt, ist grundsätzlich normal. Für eine ausgewogene Ernährung braucht es auch keine grossen Portionen. Bewährt haben sich mehrere kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt. Wichtige Nähr- und Vitalstoffe sind vor allem in frischem Obst, Gemüse, magerem Fleisch und Geflügel oder Vollkornprodukten enthalten. Wer auf Produkte tierischer Herkunft verzichten möchte, findet die nötigen Proteine auch in Hülsenfrüchten, Nüssen oder Tofu. Zudem eignen sich bei Appetitlosigkeit kalorien- und vitalstoffreiche Getränke wie etwa Obst- und Gemüse-Smoothies, die eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit eingenommen werden können. Für den kleinen Hunger zwischendurch sind Snacks mit Kernen, Samen oder Nüssen ideal. Sie regen nicht nur den Appetit an, sondern enthalten auch wertvolle Proteine. Der wichtigste Faktor aber bleibt eine abwechslungsreiche Ernährung. Dann spricht auch nichts gegen ein frisch gebackenes Weggli zwischendurch.

Susanne Siegrist
Obwohl sich das Geschmacksempfinden im Alter ändert, sollte der Speiseplan nicht zu einseitig werden.

Susanne Siegrist

Dipl. Drogistin HF und Inhaberin einer Drogerie in OensingenObwohl sich das Geschmacksempfinden im Alter ändert, sollte der Speiseplan nicht zu einseitig werden

Welche Nährstoffe sind im Alter besonders wichtig?

Neben der Aufnahme von Proteinen ist ein gesunder Haushalt an Vitaminen und Spurenelementen wichtig. Die Vitamine C und D sowie Zink stärken das Immunsystem. Vitamin B12 und Folsäure unterstützen die Zellerneuerung, Kalzium ist gut für die Knochen. Eisen kann vor Müdigkeit und Abgeschlagenheit schützen.

Wie lässt sich eine ausgewogene Ernährung erreichen, auch wenn man wenig Appetit hat?

Obwohl sich das Geschmacksempfinden im Alter ändert, sollte der Speiseplan nicht zu einseitig werden. Süsses darf sein, daneben aber auch viel Gemüse. Dafür bieten sich zum Beispiel Suppen an. Diese lassen sich relativ einfach zubereiten. Zudem wärmen sie von innen, können mit gesunden Zutaten zubereitet werden, sind leicht einzunehmen und unterstützen obendrein den Flüssigkeitshaushalt.

Wie können Angehörige Betroffene unterstützen?

Aufmerksamkeit macht glücklich, egal ob von Angehörigen oder fernen Bekannten. Spaziergänge an der frischen Luft regen den Appetit an und mobilisieren Knochen und Muskeln. Was ebenfalls unterstützt, ist die Hilfe bei Einkäufen oder ein gemeinsames Essen. Betroffene, die noch immer gerne selber kochen, freuen sich vielleicht auch über ein Kochmagazin. Darin sind viele saisonale Gerichte enthalten und es weckt Lust, mal etwas Neues auszuprobieren.