Kinderspital

Ratgeber / Gesundheit

Kinder im Spital: Wissen hilft gegen die Angst

24.01.2024 / von 

Eltern sollten unabhängig vom Ernstfall über das Thema Krankheit sprechen. Sina Schneider vom Verein Kind+Spital erklärt, warum das wichtig ist – und wie man sein Kind während eines Spitalaufenthalts begleiten kann.

Sina Schneider
Ein Spitalbesuch ist oft mit Ängsten verbunden – und Wissen ist das beste Mittel dagegen.

Sina Schneider

Vorstandsmitglied des Vereins Kinder+Spital und dipl. Pflegefachfrau HF im Universitäts-Kinderspital Zürich

Frau Schneider, angenommen, mein Kind ist kerngesund – soll ich trotzdem mit ihm darüber sprechen, dass es vielleicht mal ins Spital muss?

Ja, unbedingt. 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen kommen als Notfall ins Spital und dann bleibt keine Zeit, sich vorzubereiten. Es ist wichtig, dass sich ein Kind unabhängig vom Ernstfall spielerisch mit den Themen Gesundheit, Krankheit und Spital auseinandersetzen kann.

Wie kann man sein Kind an das Thema heranführen?

Man kann zum Beispiel gemeinsam einen Tag der offenen Tür in einem Kinderspital besuchen. Es gibt auch tolle Bilderbücher. Oder man besorgt einen Spitalspielkoffer, damit das Kind mit medizinischen Materialien spielen und diese kennenlernen kann. Lehrpersonen von Kindergarten und Primarschule können via unseren Verein auch mich und meine Arbeitskollegin buchen – wir werden in Klassen vorbeigehen und spielerisch darüber informieren, was im Spital passiert.

Warum ist es wichtig, das Thema Kranksein unabhängig von einem Spitalbesuch anzusprechen?

Ein Spitalbesuch ist oft mit Ängsten verbunden – und Wissen ist das beste Mittel dagegen. Es kann sehr verunsichernd sein, in einer unbekannten Umgebung zu sein und keine Ahnung zu haben, was passiert. Informierte Kinder sind gespannt darauf, wie es abläuft im Spital.

Aber wenn ich davon spreche, dass Behandlungen Schmerzen verursachen können, ist das vermutlich auch nicht hilfreich.

Man sollte nichts beschönigen, aber auch nicht dramatisieren. Es wirkt sich positiv aus, wenn man eine angstmindernde Sprache verwendet, indem man zum Beispiel von einem «Stupf» spricht statt von einem «Stich». Je grösser die Angst vor einer Behandlung ist, desto schmerzhafter wird diese in der Regel erlebt. Die Eltern erzielen auch mit ihrer Haltung eine Wirkung: Vermitteln sie dem Kind, dass das Spital dazu da ist, dass es einem wieder gut geht, ist auch dem Kind geholfen.

Kinder haben offiziell das Recht, im Spital jederzeit eine Bezugsperson bei sich zu haben. Wird dieses Recht umgesetzt?

Im Kinderspital Zürich, wo ich arbeite, darf eine Bezugsperson das Kind bis in die Narkose begleiten und danach wieder im Aufwachraum begrüssen. Zudem gehört zu fast jedem Krankenbett auf der Station ein Klappbett, auf dem ein Elternteil übernachten kann. Leider ist es noch nicht in allen Spitälern so, dass die Kinder stets begleitet werden dürfen. Aber die Erziehungsberechtigten sollten wissen, dass es dieses Recht gibt. So können sie es einfordern – sofern das Kind eine Begleitung möchte.

Gibt es Kinder, die nicht begleitet werden möchten?

In Kinderspitälern werden Menschen zwischen 0 und 16, teilweise 18 Jahren aufgenommen. Es gibt Jugendliche, die zum Beispiel über Nacht alleine bleiben möchten. Häufig ist das allerdings nicht – ich erlebe viele Teenager, die sich bei der Begrüssung cool geben, dann aber doch froh sind, wenn Mami oder Papi bei ihnen übernachtet. Ein Spitalbesuch ist eine Ausnahmesituation, in der Kinder und Jugendliche auf die Unterstützung ihrer Bezugspersonen angewiesen sind.

Wie kann man sein Kind während eines Klinikaufenthalts weiter unterstützen?

Das beginnt bei einem geplanten Spitaleintritt mit dem Packen der Tasche: Hat das Kind sein Lieblingsplüschtier dabei, darf es im eigenen Pyjama schlafen oder seine eigene Musik hören, fühlt es sich eher wohl. Eltern können ihr Kind unterstützen, indem sie alters- und entwicklungsgerecht über die bevorstehende Intervention sprechen. Familien haben das Recht, über alle Behandlungsschritte informiert zu werden – man darf also gerne nachfragen. Während der Behandlungen kann der Körperkontakt mit einem Elternteil beruhigend wirken. Oder die Mutter zeichnet eine Blume auf den linken Arm des Kindes, während es am rechten eine Spritze bekommt. Man kann auch Aufgaben verteilen: Du hältst still, der Papi lenkt ab und die Pflegefachperson macht eine Blutentnahme.

Muss ein Kind ins Spital, ist das auch für Geschwister belastend. Wie unterstützt man diese?

Brüder und Schwestern sollte man miteinbeziehen und auch ihnen altersgerecht erklären, was passiert. Vielleicht kann auch mal der Götti das kranke Kind im Spital besuchen, sodass die Eltern Zeit mit den Geschwistern verbringen können. Das ist insbesondere für die Geschwister von Langzeitpatienten sehr wertvoll.

Was, wenn man als Eltern an seine Grenzen stösst?

Es gibt verschiedene Entlastungsangebote wie die Kinderspitex oder die Familienhilfe. Man kann sich zum Beispiel an unseren Verein wenden; wir vermitteln gerne Fachpersonen.

Kind+Spital setzt sich für die Rechte von Kindern im Gesundheitswesen ein. Wo hapert es noch?

Die Kinderrechte, zu deren Umsetzung sich alle Schweizer Kinderspitäler verpflichtet haben, sind kein Selbstläufer. Durch Personalmangel, Kostendruck und die Tatsache, dass die Prozesse im Spital immer schneller werden, klappt es nicht immer und überall. Deshalb ist es uns wichtig, über die Rechte von Kindern im Gesundheitswesen zu informieren. Denn nur wer seine Rechte kennt, kann diese auch einfordern.

Zum Verein

Der Verein Kind+Spital setzt sich ein für die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Gesundheitswesen. Ziel ist es, die Aufenthaltsbedingungen im Spital so zu verbessern, dass sie den physischen und psychischen Bedürfnissen von Familien gerecht werden. Der Verein berät Eltern, aber auch Ärztinnen und Ärzte, Pflegefach- und Lehrpersonen. Kind+Spital ist nicht gewinnorientiert und auf Spenden angewiesen. Weitere Informationen unter kindundspital.ch oder Tel. 078 214 17 46.