Sie gilt als Köchin der Nation. Seit über 40 Jahren widmet sich Annemarie Wildeisen mit Ideenreichtum ihrer Passion, dem Kochen. Mit uns spricht sie über die Tradition des Einmachens und lässt uns beim Kochen über die Schulter blicken.
Annemarie Wildeisen ist ein neugieriger Mensch. Neben dem Erarbeiten von Rezepten und Kochbüchern, Kochsendungen und Kochschulen ist der Wissenshunger der ehemaligen Journalistin noch immer gross. Über die Herkunft von Lebensmitteln weiss sie ebenso viel zu berichten wie über die chemischen Prozesse bei der Verarbeitung – auch jene beim Einmachen. Wie Sie ein Stück Sommer für den Winter aufbewahren können, erklärt Annemarie Wildeisen im Interview.
Ein Sprichwort besagt: Ein Apfel am Tag hält den Doktor fern. Haben Sie ein Ritual, das Sie gesünder durch den Tag bringt?
Mein Mann und ich trinken seit 20 Jahren jeden Morgen ein Glas frisch gepressten Rüeblisaft. Diesen Tipp hat mir ein altes «Manndli» gegeben – und er scheint zu wirken (klopft auf Holz). Seither sind Karotten in unserer Küche nicht mehr wegzudenken
Der Winter steht vor der Tür. Wie viele Einmachgläser schmücken bereits Ihren Vorratskeller?
Ich muss zugeben: Seit meine Kinder aus dem Haus sind, nicht mehr viele. Vorräte halte ich gerne überschaubar und achte darauf, dass wir Eingemachtes innerhalb eines Jahres konsumieren. Mein Credo lautet: Lieber mit kleinen Mengen arbeiten, dafür über das ganze Jahr verteilt mit saisonalen Zutaten.
Im Einmachen sahen unsere Grosseltern die Möglichkeit, Lebensmittel haltbar zu machen – und damit den Sommer mit in den Winter zu nehmen. Heute gibt es dazu andere Mittel. Trotzdem ist selber einmachen nie aus der Mode gekommen. Woran liegt das?
Ich glaube schon, dass das Wissen um richtiges Einmachen durch andere Möglichkeiten wie das Tiefkühlen eingebüsst hat. Obwohl: Gefrieren ist eigentlich nur eine andere Form des Einmachens – neben Einkochen oder Dörren. Ganz allgemein stelle ich aber einen Trend zurück zu Küchentraditionen und Familienrezepten fest Nachhaltigkeit und gesundes Essen spielen für Schweizerinnen und Schweizer eine wichtige Rolle. Genauso wie Tradition.
Das Verarbeiten von regionalen und saisonalen Zutaten, manchmal auch aus dem eigenen Garten, macht Freude. Da aber nicht alles auf einmal gegessen werden kann, ist Einmachen eine schöne und einfache Alternative, «Überschüssiges» mit in den Winter zu nehmen. Kompott, Apfelmus, Konfitüre oder Sirup sind dankbare Produkte. Dennoch stelle ich mir immer die Frage: Wann macht Einmachen Sinn und was friere ich
besser ein?
Es gibt verschiedene Varianten, Essen haltbar zu machen. Welches sind die Unterschiede zwischen Einmachen, Einlegen oder Fermentieren?
Beim Einmachen werden Lebensmittel durch Erhitzen und anschliessendem Vakuum konserviert. Diese Methode eignet sich besonders gut für Konfitüren, Kompott und Sirup. Bei der Fermentation findet durch die Beigabe von Enzymen, Bakterien- oder Pilzkulturen eine Umwandlung organischer Stoffe statt. Zum Teil sind diese Mikroorganismen auch bereits natürlich in Lebensmitteln vorhanden. Auf diese Weise werden beispielsweise Sauerkraut oder Sauerrüben hergestellt.
Beim Einlegen werden Lebensmittel in eine Marinade, Beize oder Salzlake gegeben, um Aromastoffe aufnehmen zu können. Eingelegte Früchte und Gemüse müssen anschliessend in der Regel weiterverarbeitet und, wenn sie haltbar gemacht werden sollen, zusätzlich sterilisiert werden (je nach Lebensmittel wie Fisch, Fleisch oder Hülsenfrüchte wenn nötig unter Druck).
Welches sind die Vorteile des Einmachens?
Einmachen ist eine wunderbar unkomplizierte Art, Lebensmittel mit natürlicher Säure haltbar zu machen. Es dürfen auch Zutaten miteinander kombiniert werden. Unsere exotische Birnenkonfitüre ist ein tolles Beispiel dafür. Zur saisonalen Birne sorgt die Passionsfrucht für einen zusätzlichen Schuss Säure.
Der Saft des Granatapfels bringt neben Säure zusätzlich einen Farbakzent ins Glas. Verwendet man Gelierzucker, hat die Konfitüre nur gerade eine Kochzeit von vier Minuten, was auch dem natürlichen Aroma sehr zuträglich ist.
Worauf sollte man beim Einmachen achten, damit sich der Inhalt möglichst lange hält?
Genaues und sauberes Arbeiten ist beim Einmachen essenziell. Entweder werden die Gläser und Deckel mit dem heissesten Programm des Geschirrspülers gereinigt, und zwar unmittelbar vor dem Einfüllen, oder aber man gibt sie fünf Minuten bei 100 Grad in ein Dämpfgerät oder kocht sie ebenso lange in einer Pfanne mit Wasser aus. Nur heiss auswaschen reicht nicht aus, um Keime zu beseitigen.
Wichtig für die Haltbarkeit ist auch der Säuregehalt. Neben Zucker können Zitronensaft oder Pektin, das im Gelierzucker bereits enthalten ist, beigegeben werden. Wer mit weniger Zucker experimentieren möchte, sollte dies zuerst in kleinen Mengen testen.
Beim Abfüllen in die Gläser muss der Inhalt kochend heiss sein, denn nur so kann sich im Hohlraum zwischen Inhalt und Deckel ein Vakuum bilden. Der Hohlraum sollte dabei möglichst klein sein und die Ränder vor dem Verschliessen sauber. So hält sich eine Konfitüre kühl und dunkel gelagert gut ein Jahr oder länger. Nach dem Öffnen ist Eingemachtes relativ zügig zu geniessen. Sinn machen daher kleine Gläser bis maximal einem halben Liter.
Welche saisonalen Zutaten eignen sich jetzt ganz besonders zum Einmachen?
Früchte wie Birnen, Pflaumen, Äpfel, Himbeeren sowie Trauben eignen sich für Konfitüren, Gelees, Kompott oder Apfelmus. Aber auch Gemüse wie Zucchetti, Gurke oder Kürbis ergeben schöne Einmachspezialitäten wie Süss-Saures oder Chutneys. Ich persönlich mache auch gerne aromatische Tomaten ein, zum Beispiel als einfache Sauce, die ich später bei der Verwendung noch mit frischen Kräutern und Gewürzen abschmecke.
Von Fisch und Fleisch sowie von Bohnen rate ich hingegen ab. Schon meine Mutter kannte die Tücken der unsichtbaren Pilzsporen. Sie wirken toxisch und können zu lebensgefährlichen Vergiftungen führen. Tiefkühlen ist bei Fleisch, Fisch und auch vielen Gemüsen die bessere und gesündere Variante.
Das Auge isst bekanntlich mit. Gibt es einen Trick, um die Farben beim Einmachen zu erhalten?
Mit Zitrone kann Farbe ein wenig konserviert oder mit Granatapfel nachgefärbt werden. Auch Blanchieren und kaltes Abschrecken sorgen vor allem bei grünem Gemüse dafür, dass die schöne Farbe erhalten bleibt. Erdbeeren dagegen verlieren spätestens nach 14 Tagen ihren Farbstoff. Auf den Geschmack hat das zwar kaum Auswirkungen. Meinen Kochschülern rate ich dennoch, Eingemachtes bis zur nächsten Saison zu geniessen.
Gibt es eine Person, für die Sie gerne einmal kochen würden?
Wen ich nicht nur für ihre Disziplin hoch achte, sondern auch dafür, wie sie in Würde gealtert ist – Sie werden jetzt vielleicht lachen –, ist die Queen. Tiefen Respekt empfinde ich auch für Angela Merkel und wie viel sie bewirken konnte in einer männerdominierten Welt oder für die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreyfuss, die so viel Menschlichkeit und Würde in die Politik brachte. Aber auch Meryl Streep oder Helen Mirren finde ich grossartige, bewundernswerte Frauen. Alle an einem Tisch vereint, das gäbe eine spannende Runde. Kochen würde ich je
nach Saison. Und wie gewohnt ganz unkompliziert.
Annemarie Wildeisen
Köchin der Nation
Annemarie Wildeisen kam 1946 zur Welt und wuchs in Baden auf. Schon als Zehnjährige stand sie gerne in der Küche. Als junge Journalistin beim «Badener Tagblatt» schrieb sie täglich Beiträge für die Frauenseite und sammelte Rezepte. Später in Zusammenarbeit mit der bekannten Köchin Agnes Amberg (Fülscher Kochschule), die sie ermunterte, auch eigene Kreationen zu veröffentlichen.
Es folgten Stationen bei «Betty Bossi» und «Meiers Modeblatt». 1982 gründete Annemarie Wildeisen ihre erste Kochschule und trat viele Jahre mit Kochsendungen im Fernsehen auf. Daneben schrieb sie zahlreiche Kochbücher. Heute führt sie gemeinsam mit ihrer Tochter die Kochschule Arte Cucina und ist Chefredaktorin der Zeitschrift «Annemarie Wildeisens Kochen».
Exotische Birnenkonfitüre
Ergibt etwa 4 Gläser à 2,5 dl
• 1 Zitrone
• 600 g vollreife Birnen
• 750 g Gelierzucker
• 1 Granatapfel
• ½ dl Weisswein oder Noilly Prat
• 6 Passionsfrüchte
Den Saft der Zitrone auspressen und in eine Pfanne geben. Die Birnen schälen, vierteln, das Kerngehäuse entfernen und die Früchte entweder in kleine Würfelchen schneiden oder grob hacken (nicht pürieren!). Zum
Zitronensaft geben und mischen. Dann den Gelierzucker beifügen und alles kurz ziehen lassen.
Inzwischen den Granatapfel quer halbieren und die Kerne auslösen. In eine kleine Pfanne geben und den Weisswein dazugiessen. Zugedeckt auf kleinem Feuer fünf bis acht Minuten kochen lassen. Dann die Kerne in der Pfanne mit einem Löffel gut andrücken, damit der Saft austritt. Alles durch ein feines Sieb zur Birnenmasse giessen, dabei die Rückstände nochmals gut auspressen.
Die Passionsfrüchte halbieren und das Fruchtfleisch herausschaben. Zur Birnenmasse geben. Die Konfitürenmasse unter Rühren aufkochen, dann vier Minuten prudelnd kochen lassen. Den entstehenden Eiweissschaum der Passionsfrucht mit dem Löffel leicht abschöpfen. So bleibt die Konfitüre länger haltbar. Sofort kochend heiss in Konfitürengläser füllen und verschliessen.