Bandscheibenvorfall. Schon das Lesen des Wortes verursacht Rückenschmerzen. Was hinter dieser Diagnose steckt und wie sich die Volkskrankheit therapieren lässt, erfahren Sie bei uns. Gut zu wissen: Oft gibt es Alternativen zur Operation.
In der Regel handelt es sich bei Bandscheibenvorfällen um eine Alterserscheinung. Die Wirbelsäule und insbesondere die Bandscheiben altern nämlich schneller als andere Bereiche des Körpers. Im Frühstadium macht sich dieser Alterungsprozess des Rückens noch nicht durch Beschwerden bemerkbar. Ist er aber fortgeschritten und führt zu einem Bandscheibenvorfall, sind die Schmerzen sehr stark bis unerträglich.
Rund 4’800 Personen pro Jahr machen in der Schweiz schmerzhaft Bekanntschaft mit diesem Phänomen – in der Fachsprache Diskushernie genannt. Männer trifft es fast doppelt so häufig wie Frauen, meist sind sie zwischen 30 und 50 Jahre alt. Die Bandscheiben sind mit Flüssigkeit gefüllte Kissen aus zähem und elastischem Bindegewebe. Sie sitzen zwischen den Wirbeln und sorgen einerseits für die Beweglichkeit der Wirbelsäule, andererseits fungieren sie als Stossdämpfer.
Die grössten Kräfte wirken dabei auf die Lendenwirbel, weshalb diese trotz ihrer robusten Konstruktion besonders häufig von Verschleiss betroffen sind. Das erklärt, warum Bandscheibenvorfälle an der Lendenwirbelsäule zehn Mal öfter auftreten als Diskushernien an der Halswirbelsäule.
Was ist ein Bandscheibenvorfall?
Ist eine Bandscheibe abgenützt und darum nicht mehr so robust, wölbt sich ihre äussere Umrandung vor oder es löst sich ein Stückchen der Bandscheibe selbst. Dieses wird aus dem Raum zwischen den Wirbeln herausgedrückt, wo es auf das Rückenmark oder die Nervenwurzeln drückt.
Je nachdem, wo das passiert, treten die Beschwerden an unterschiedlicher Stelle auf. Typisch für eine Diskushernie ist der sogenannte radikuläre, also von den Nervenwurzeln ausgehende Schmerz: Von der Lendenwirbelsäule her strahlt er über den Ischiasnerv ins Bein aus, von der Halswirbelsäule her in den Arm. Manchmal kommen neurologische Ausfälle wie Gefühlsstörungen im Bein oder im Arm sowie die Schwächung oder Lähmung einzelner Muskeln dazu, was die Gehfähigkeit beziehungsweise die Hand- und Armfunktion beeinträchtigen kann. Im Extremfall treten sogar Funktionsstörungen von Blasen- oder Anus-Schliessmuskel auf, was eine Urin- und/oder Stuhlinkontinenz zur Folge haben kann.
Weitere Ursachen von Bandscheibenproblemen
Neben der Hauptursache "Abnützung" gibt es weitere, allerdings weniger häufige Auslöser für den Bandscheibenvorfall: Fehl- oder Überbelastung der Wirbelsäule oder eine angeborene Bindegewebsschwäche in Kombination mit Überbelastung. Auch ein Unfall kann die Ursache sein. Weitere Gründe können ausserdem Alter, Übergewicht, Schwangerschaft oder Bewegungsmangel sein. Kurzum: Eine Diskushernie kann jede und jeder von uns erleiden – egal, ob Bauarbeiter oder Büroangestellter.
Besteht der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall, gibt eine Magnetresonanztomografie (MRI) Aufschluss darüber, ob die Vermutung zutrifft und falls ja, wo genau der Schaden angerichtet ist. Liegen keine ausgeprägten Funktionsstörungen vor, sind konservative Therapien die Mittel der Wahl. Diese bestehen meist aus der Einnahme von schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten, je nach Schwere der Probleme höchstens drei Tagen Bettruhe sowie bei Bedarf auch Physiotherapie.
Manchmal verordnet der Arzt auch eine sogenannte Infiltration, bei der er unter Röntgenkontrolle einen Mix aus lokalen Betäubungsmitteln und Kortison an die betroffene Bandscheibe und die Nerven spritzt. Bis die Wirkung dieser Massnahme spürbar ist, können allerdings ein paar Tage vergehen.
Auch alternativmedizinische Methoden sind erfolgversprechend: Akupunktur, Wärmetherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, manuelle Therapie, Hydrotherapie/Balneotherapie (Wasser/spezielle Bäder). Welche Kombination an Behandlungsmethoden ideal für den Patienten oder die Patientin ist, kommt auf den Einzelfall an.
Das letzte Mittel
Die meisten Bandscheibenvorfälle lassen sich mit Therapien in den Griff bekommen. Eine Operation ist daher immer die letzte Option. Nämlich dann, wenn die Funktionsstörungen derart ausgeprägt sind, dass sofort chirurgisch eingegriffen werden muss. Zum Beispiel bei Inkontinenz oder wenn herkömmliche Behandlungen keinen oder nur mangelhaften Erfolg gebracht und die Schmerzen nicht oder zu wenig nachgelassen haben. Das ist allerdings nur bei einer deutlichen Minderheit der Betroffenen der
Fall. Bevor der Entscheid zur Operation gefällt wird, wägt der behandelnde Arzt mit dem Patienten oder der Patientin immer sorgfältig ab und entscheidet individuell. Wichtige Faktoren sind dabei Leistungsanspruch, Alter und Begleiterkrankungen
des oder der Betroffenen.
Präventionsmassnahmen
Vorbeugen ist besser als heilen – das gilt auch für den Bandscheibenvorfall. Natürlich lassen sich genetische Faktoren nicht beeinflussen, dennoch gibt es Möglichkeiten, das Risiko zu verringern. Dazu gehören rückenschonendes Tragen und Arbeiten (siehe Box). Eine gesunde Ernährung für starke Knochen mit ausreichend Vitamin D und Kalzium sowie die Vermeidung oder der Abbau von Übergewicht, das die Wirbelsäule belastet, sind weitere Faktoren. Der Verzicht auf Zigaretten führt zu einer besseren Versorgung der Bandscheiben und ausreichend Bewegung und Stärkung der Rumpfmuskulatur entlasten den Rücken und die Bandscheiben weiter.
Xavier Starmans
Sport-Physiotherapeut FH bei Physio & Sport, Steinhausen ZG
Wie hilft der Physiotherapeut bei einer Diskushernie?
Er informiert über die Verletzung, löst Muskelverspannungen, zeigt Übungen für Entspannung, Beweglichkeit
und Stabilität und bereitet den Körper so auf eine optimale Wundheilung vor. Der Patient erhält dadurch mehr Einsicht in Verletzung und Genesungsweg und sucht mit dem Therapeuten aktiv nach Lösungen.
Was können Betroffene selbst tun?
Bewegung statt Bettruhe! Das Programm besteht im Aktivieren der stabilisierenden Muskulatur, der Reduktion von Stress und innerer Anspannung, gesunder Ernährung sowie schmerzfreiem Sport, um die Belastbarkeit des Gewebes zu verbessern. Die Bandscheibe muss schnellstmöglich wieder der natürlichen Belastung ausgesetzt werden.
Was sind die grössten Fehler im Alltag?
Der Körper heilt sich selbst, man muss nur die richtigen Impulse geben. Typische Gefahren sind einseitige oder
zu wenig Bewegung sowie muskuläre, körperliche, geistige oder soziale Überbelastung.
Mehr auf der Website von Physio & Sport.
Der ergonomische Bildschirm-Arbeitsplatz
Ergonomische Einrichtung, Körperhaltung, Bewegung und Pausen sind wichtig:
• Tisch und Bildschirm so aufstellen, dass das Licht von der Seite einfällt.
• Stuhl so einstellen, dass die Füsse zum Boden reichen und der Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel sowie zwischen Oberschenkel und Rumpf je 90 Grad beträgt.
• Der Rücken sollte die Rückenlehne berühren.
• Die Ellbogen sollten auf einer Höhe mit dem Tisch sein.
• Der Bildschirm sollte 70 bis 90 cm von den Augen entfernt sein, die Bildschirm-Oberkante rund 10 cm unter der Augenhöhe.