Winterblues

Ratgeber / Gesundheit

Aus für den Winterblues

24.09.2020 / von 

Kürzere Tage, weniger Sonnenlicht: Der Winter kann ganz schön auf die Stimmung drücken. Der Grund dafür liegt in der Chemie des Körpers. Gezielte Aktivitäten im Alltag können aber die Glückshormone wieder ankurbeln.

Viele Menschen kämpfen in der kalten Jahreszeit mit einem Stimmungstief, obwohl der Winter mit vorweihnachtlichem Zauber und Gemütlichkeit zahlreiche Gelegenheiten zur Freude mit sich bringt. Das Phänomen ist als Winterblues bekannt und stellt eine mildere Form der Winterdepression dar. Diese beginnt meist im Herbst und dauert bis im Frühling an, wo sie meist von allein wieder verschwindet. Die Winterdepression gehört damit zu den saisonalen Depressionen, kurz SAD (Seasonal Affective Disorder). In der Schweiz sind jährlich um die 160'000 Menschen betroffen, in Europa wird die Anzahl auf rund drei bis fünf Prozent der Bevölkerung geschätzt.

Die Symptome sind ähnlich wie bei einer eigentlichen Depression, einfach weniger ausgeprägt. Zum Stimmungstief hinzu kommen meist eine gewisse Antriebslosigkeit und ein starkes Schlafbedürfnis. Typisch ist auch ein grosser Appetit, der sich bis zum Heisshunger steigern kann, mit einem besonderen Verlangen nach Süssem.

Hormone aus der Balance

Der Entstehung des Winterblues liegen verschiedene Ursachen zugrunde. Darunter eine genetische Veranlagung, Stressbelastung und eine veränderte Hormonproduktion, die in einem direkten Zusammenhang mit der verminderten Lichtmenge im Winter steht. Wenn weniger Licht auf das Auge trifft, erhält die Zirbeldrüse ein Signal, vermehrt das Schlafhormon Melatonin auszuschütten. Im Winter ist das auch tagsüber der Fall. Der Schlafmechanismus wird aktiviert und man empfindet eine gewisse Mattigkeit.

Die erhöhte Produktion von Melatonin hat aber noch eine weitere Folge: Damit der Körper das Schlafhormon herstellen kann, muss er Serotonin umwandeln. Dadurch sinkt der Spiegel dieses Glückshormons, was die gedämpfte Stimmung verursacht. Wenn nun zu wenig Serotonin zur Verfügung steht, versucht das Gehirn, einen Ausgleich zu schaffen. Der Appetit auf Süsses steigt. Zucker und beispielweise Schokolade ermöglichen es dem Organismus, den Vorrat des Glückshormons wieder nachzufüllen.

Depression oder Winterblues?

Der Wunsch nach mehr Schlaf und eine gesteigerte Lust auf Süsses im Winter sind durchaus normal. Erst, wenn die Bedürfnisse deutlich in den Alltag eingreifen, ist eine medizinische Beratung angezeigt. Der Arzt klärt in einem ausführlichen Gespräch die Tragweite der Symptome ab und führt einige körperliche Untersuchungen durch, um eine Schilddrüsenunterfunktion oder einen Vitamin-B12-Mangel auszuschliessen und eine Behandlung zu definieren.

Zu den wichtigsten Möglichkeiten gehört die Lichttherapie. Betroffene setzen sich während zweier Wochen jeweils vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang unter eine Lichtquelle, um den Tag künstlich zu verlängern. Mehr Licht kann im übertragenen Sinn eine bewährte Arzneipflanze, das Johanniskraut, bringen. Ihre Extrakte weisen stimmungsaufhellende Eigenschaften auf und können in Form von Tee, Filmtabletten oder Tinkturen über einige Wochen verwendet werden. Bei schweren Symptomen ist auch eine Behandlung mit Antidepressiva, zum Beispiel mit Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), oder eine verhaltenstherapeutische Unterstützung möglich.

Handelt es sich bei der Verstimmung um den schwächeren Winterblues, können sich Betroffene leicht selber helfen. Eine klare Struktur im Alltag, viel Bewegung und eine ausgewogene Ernährung – allenfalls mit spezifischen Ergänzungsmitteln – helfen der guten Stimmung auf die Sprünge.

Rituale einbauen und sich etwas gönnen

Kleine Änderungen haben eine grosse Wirkung, das gilt auch beim Winterblues. Haben Sie kein schlechtes Gewissen, wenn sie nachts etwas länger schlafen. Eine Stunde früher ins Bett oder länger schlafen kann dafür sorgen, dass Sie alle Schlafphasen durchlaufen und sich so tagsüber ausgeruhter und fitter fühlen. Ein Kräutertee kann beim Einschlafen helfen. Besonders wichtig: TV und Handy ausschalten!

Wer kleine Rituale in den Alltag einbaut und Pläne schmiedet, hat meist Grund zur Vorfreude. Einmal die Woche ein warmes Bad bei Kerzenlicht und mit duftender Seife, ein feines Essen, ein ausgedehnter Spaziergang in der Natur oder sich etwas Neues leisten – zum Beispiel ein tolles Beauty-Produkt oder eine neue Dekoration für die Wohnung –, das alles kann Wunder bewirken. Apropos: Lachen ist gesund! Was der Volksmund sagt, ist auch wissenschaftlich bewiesen. Lachen vermindert die Produktion von Stresshormonen und setzt das Glückshormon Serotonin frei.

Bewegung macht glücklich

Wer seinem Körper ausreichend Schlaf gönnt, hat schon viel für das Wohlbefinden getan. Der zweite Hebel, um den Winterblues auszuschalten, ist die Bewegung. Leichter Sport, eine Wanderung oder einfach die Treppe anstatt den Lift zu nehmen, bringt den Kreislauf in Schwung. Wer sich draussen bewegt, profitiert gleich doppelt: Das Tageslicht hemmt die Produktion von Melatonin, und die Bewegung fördert die Ausschüttung von Serotonin und einem weiteren Glückshormon, dem Dopamin. Bereits täglich 30 bis 60 Minuten an der frischen Luft reichen aus, um dem lästigen Winterblues vorzubeugen.

Sportliche Betätigung in Gesellschaft fördert die Motivation. Schliessen Sie sich darum einem Verein oder einer Gruppe zum Walking, Jogging oder Tanzen an – denn Sport verbindet und ermöglicht den Austausch. Ein gutes Gespräch, zusammen lachen und Erfolge feiern sind beste Mittel, um aus dem Trübsal herauszukommen – oder dafür zu sorgen, dass der Winterblues gar nicht erst seine dumpfen Töne anstimmen kann.

Bewusst essen hebt die Stimmung

Wer unter dem Winterblues leidet, greift gerne zu Schokolade. Die süsse Verführung kurbelt die Serotoninproduktion an und verleiht der Stimmung einen kurzfristigen Kick. Gegen einen moderaten Konsum von Schokolade ist sicher nichts einzuwenden, aber eine bewusste Ernährung hat längerfristig den grösseren Einfluss auf das Wohlbefinden und Ihre Gesundheit.

Für die Bildung von Serotonin braucht es die Aminosäure Tryptophan. In Kombination mit Kohlenhydraten kann dieser Eiweissbaustein das Glückshormon bilden. Die Kombination einer Stärkebeilage wie Kartoffeln oder Reis mit Käse, Sojabohnen oder Fisch bildet das ideale Power-Duo für die Serotoninproduktion. Lebensmittel wie Vollkornbrot, Naturreis oder Nüsse enthalten sogar beide Bausteine.

Auch Vitamine, insbesondere die B-Vitamine, sind im Winter besonders wichtig. Der Empfehlung von zwei Portionen Obst und drei Portionen Gemüse gilt es speziell in der kalten Jahreszeit Beachtung zu schenken. Sie stärken das Immunsystem und verringern das Risiko, eine Erkältung einzufangen. Als positiver Nebeneffekt heben sie die Stimmung. Kohl und Wurzelgemüse sowie Feldsalate, Zitrusfrüchte, Äpfel und Birnen gehören zu den saisonalen Köstlichkeiten, mit denen sich der Speiseplan wunderbar bereichern lässt.

Eine weitere Möglichkeit, um den Winterblues in Schach zu halten, ist die gezielte Ergänzung der Ernährung mit wichtigen Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren (siehe Interview). Damit stellen Sie sicher, dass der Körper die entscheidenden Bausteine zur Verfügung hat, um das hormonelle Ungleichgewicht wieder in die Balance zu bringen. Dem Genuss des Winterzaubers steht dann nichts mehr im Weg.

Priscilla Fernandez
Ätherische Öle verleihen dem Organismus ein Gefühl von neuer Energie.

Priscilla Fernandez

Dipl. Drogistin HF und Betriebsleiterin einer Drogerie in Glarus

Welche Wirkung haben ätherische Öle auf unser Wohlbefinden?

Ätherische Öle wie beispielsweise von Grapefruit und Bergamotte gelangen über das Geruchsorgan direkt ins limbische System. Dort bewirken sie die Ausschüttung von diversen Glückshormonen wie Sero-

tonin und Dopamin. Die Zitrusöle stärken den Organismus und verleihen ein Gefühl von neuer Energie.

Sie wirken stimmungsaufhellend. So, als würden sie ein wenig Licht ins Leben bringen.

Welche Vitalstoffe können zu einer besseren Stimmung beitragen?

Besonders wichtig für eine bessere Stimmung ist die ausreichende Zufuhr von Vitamin D, den B-Vitaminen B3, B6 und B12 – idealerweise als B-Komplex – und Omega-3-Fettsäuren. Da sie die wichtigsten Bausteine für Hormone sind, sollte man auch auf die Einnahme einer genügend hohen Menge an Aminosäuren achten.

Wie wirken diese?

Vitamin D ist massgeblich an der Bildung von Serotonin beteiligt. Die B-Vitamine sind für eine Erhöhung

des Serotoninspiegels unabdingbar.Omega-3-Fettsäuren können die Nervenzellen, die für die Serotoninausschüttung verantwortlich sind, aktivieren.