Schon länger vermutet die Wissenschaft eine enge Wechselwirkung zwischen dem menschlichen Mikrobiom und unserem Gesundheitszustand. Höchste Zeit, das Thema unter die Lupe zu nehmen.
Das menschliche Mikrobiom ist ein komplexes Netzwerk aus Bakterien, Viren und Pilzen, das unseren Körper ab der Geburt zu besiedeln beginnt. Ab jenem Zeitpunkt also, an dem wir mit der Aussenwelt in Kontakt treten – über Berührungen, die Aufnahme von Nahrung und die Luft. Aktuelle Schätzungen gehen von rund 39 Billionen Mikroorganismen aus, die sich auf und in einem erwachsenen Menschen befinden: genauer gesagt auf der Haut, im Darm, in den Atemwegen und auf der Schleimhaut von Mund, Nase oder Intimbereich. Was die unzähligen Mikroorganismen dort genau tun und wie sie beispielsweise mit menschlichen Zellen kommunizieren und interagieren, wird seit über 20 Jahren intensiv erforscht.
Unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper
«Mit welchen und mit wie vielen Mikroorganismen unser Körper in Kontakt kommt, bestimmen zu einem grossen Teil unsere ersten Lebensjahre. Je diverser das Mikrobiom ist, desto resistenter scheint unser Immunsystem zu arbeiten», erklärt Dr. Daniel Wechsler, eidg. dipl. Apotheker und Betriebsleiter in Bern. Er bezieht sich auf eine aktuelle Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Berlin Institute of Health sowie des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin. Darin heisst es, dass die Mikroorganismen im Darm und auf anderen Körperoberflächen dazu beitragen, dass das Immunsystem schnell auf Krankheitserreger reagieren kann. Doch nicht alle Bakterien werden als zu bekämpfende Fremdkörper eingestuft. Es gibt neben den «krank machenden» auch die «schützenden» Bakterien. Ohne diese würden beispielsweise im Darm entscheidende Botenstoffe nicht freigesetzt und der Stoffwechsel könnte in bestimmten Zellen des Immunsystems nicht reguliert werden.
«Für einen gesunden Körper gilt es, sämtliche Mikroorganismen im Gleichgewicht zu halten – die guten wie auch die pathogenen, welche Krankheiten verursachen können. Dies erreicht man in erster Linie durch eine vielseitige und gesunde Ernährung, genügend Bewegung wie auch die nötigen Ruhephasen, die unser Körper für die Regeneration braucht», führt Daniel Wechsler weiter aus. Dem Darm-Mikrobiom schreibt er beim Schutz vor Krankheitserregern eine zentrale Rolle zu, da sich rund 70 Prozent unserer Immunzellen im Darm befinden.
Mikroben schützen auch unsere Zähne
Doch nicht nur im Darm, auch im Mund sorgen «freundliche» Mikroorganismen für den nötigen pH-Wert von 7,0, der unsere Zähne vor Karies schützt. Eine hohe Zufuhr von Zucker über die Nahrung oder über Getränke kann die Mundflora jedoch beeinträchtigen, denn Zucker wird von Bakterien in Säure umgewandelt. Kurzfristig hat dies wenig Auswirkung, denn unser Speichel sorgt für die nötige Neutralisation. Bleibt der pH-Wert jedoch länger unter 5,5, kann es der Speichel allein nicht mehr richten. Fehlt die nötige Mundhygiene, kann es zur Auflösung des Zahnschmelzes und zu Karies kommen. Wechsler: «Auch hier gilt: Die Menge macht es aus. Eine gesunde Ernährung wirkt sich genauso positiv auf unser Mikrobiom aus, wie umgekehrt ein ausgewogenes Mikrobiom unsere Widerstandskraft steuern kann.»
Die Wechselwirkung von Mikrobiom und Körper
Die Interaktionen zwischen Mikroorganismen, Zellen, Organen und Immunsystem sind äusserst komplex. Auch wenn die Forschung über die Wechselwirkungen zwischen Körper und Mikrobiom längst nicht abgeschlossen ist, scheint eines zentral: Eine hohe Diversität von Mikroorganismen begünstigt das körpereigene Immunsystem. Zudem entscheiden Menge und Aufenthaltsort von Organismen über unseren Gesundheitszustand. Wo Haut, Schleimhäute oder Darm in guter Zusammenarbeit mit Mikroorganismen natürliche Barrieren und ein intaktes Klima bilden können, ist der Mensch vor Angriffen gut gewappnet. Stress, eine ballaststoffarme Nahrung oder die Einnahme von Medikamenten wie Antibiotika können den Darm jedoch aus dem Gleichgewicht bringen: Ein Zeichen dafür kann Durchfall sein. Daniel Wechsler ergänzt: «Um die gestörte Darmflora wieder ins Lot zu bringen, können Präparate mit spezifischen Milchsäurebakterienstämmen, die natürlicherweise in der Darmflora vorkommen, das Mikrobiom beim Wiederaufbau unterstützen.» Das Team in Ihrer Drogerie oder Apotheke berät Sie gern zu den verschiedenen Probiotika-Präparaten.
Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus
Das Mikrobiom lebt vom Kontakt mit der Aussenwelt. Je diverser die Mikroorganismen sind, desto besser. Die aktuellen Hygienemassnahmen beeinflussen das Hautmikrobiom zwar direkt durch vermehrtes Waschen und Desinfektionsmittel, die «guten» Mikroorganismen können sich aber rasch wieder regenerieren. Noch wenig weiss man hingegen über die Auswirkungen von Social Distancing auf unser Mikrobiom. Weniger Kontakte könnten sich früher oder später auf die Diversität unseres Mikrobioms auswirken. Umso wichtiger bleiben daher eine gesunde und ausgewogene Ernährung, regelmässige Aufenthalte in der Natur und der Austausch mit Menschen – wenn es die aktuellen Massnahmen erlauben.