Männer

Ratgeber / Gesundheit

Wenn der Mann in die Jahre kommt

24.06.2025 / von 

Das Älterwerden läuft bei jedem Menschen sehr individuell ab. Während es einige schon mit 40 Jahren spüren, ist es bei anderen auch nach 50 noch kein Thema. Doch was läuft hormonell beim Mann ab und lässt sich das mit der Menopause bei der Frau vergleichen?

Dr. med. Zimmermann
Der Testosteronwert im Blut bleibt bei gesunden Männern auch im Alter meist recht stabil.

Dr. med. David Zimmermann

Uroviva – Andrologiezentrum Zürich, Leitung des Andrologiezentrums Zürich Stadelhofen / Facharzt für Urologie & Spezialist für Andrologie

Herr Dr. Zimmermann, Sie sind ein spezialisierter Männerarzt. Mit welchen Themen kommen Patienten zu Ihnen?

Häufig stehen Fragen zur Fertilität, also der Zeugungsfähigkeit, oder Probleme mit den Sexualfunktionen im Zentrum. Bei manchen Männern geht es also um unerfüllten Kinderwunsch, bei anderen um Erektionsstörungen oder Beschwerden, die mit einem niedrigen Testosteronspiegel zusammenhängen können.

Begriffe wie «männliche Wechseljahre» oder «Andropause» tauchen in Lifestyle-Medien immer wieder auf. Inwiefern treffen diese Bezeichnungen zu?

Diese Begriffe suggerieren, dass alle Männer eine ähnliche hormonelle Umstellungsphase durchlaufen wie die Frauen in den Wechseljahren. Das trifft aber nicht zu. Bei der weiblichen Menopause passiert in relativ kurzer Zeit eine Umstellung, die körperlich spürbar ist. Jede Frau kommt an den Punkt, an dem die Periode ausbleibt und die Produktion der Hormone Progesteron und Östrogen sinkt – mit den bekannten Symptomen der Wechseljahre. Beim Mann hingegen kann zwar der Testosteronspiegel in der Lebensmitte abnehmen, aber bei den meisten passiert das ohne besondere Symptome oder Beschwerden. Der Testosteronwert im Blut bleibt bei gesunden Männern auch im Alter meist recht stabil.

Wodurch würden Sie den Begriff «Andropause» ersetzen?

Ich würde von einem langsam ablaufenden Prozess des Älterwerdens sprechen, der nicht vergleichbar ist mit der drastischen Hormonumstellung bei der Frau. Beim Mann beobachten wir vielmehr allgemeine altersbedingte Veränderungen, zu denen auch eine Abnahme der kognitiven und körperlichen Leistungsfähigkeit gehören kann. Das Ausmass muss nicht zwangsläufig krankhaft werden – es hängt vom individuellen Gesundheitszustand ab.

Wie macht sich ein tiefer Testosteronspiegel bemerkbar?

Bei einem stärkeren Abfall kann es zu Müdigkeit, Libidoverlust, Muskelabbau, Erektionsstörungen, Reizbarkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten kommen. Aber diese Symptome treten längst nicht bei jedem Mann auf, bei dem ein leichter Rückgang des Testosterons festgestellt wurde. Allerdings gibt es Risikogruppen: Männer mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes.

Hängen Abbauprozesse im Alter auch mit dem Lebensstil zusammen?

Die Genetik spielt zweifellos eine Rolle und legt die Grundlage, aber der Lebensstil kann den Verlauf des Alterungsprozesses massgeblich beeinflussen. Eine gesunde Ernährung mit Vollkornprodukten, Gemüse, Obst, gesunden Fetten, wie sie etwa in Nüssen enthalten sind, genügend Schlaf, aber auch Bewegung und die Kräftigung der Muskeln können das Altern verlangsamen und Beschwerden vermeiden. Im Gegensatz dazu wirken sich Nikotin, Alkohol, schlechte Essgewohnheiten, dauerhafter Stress und zu wenig Bewegung negativ aus.

Das «Wohlstandsbäuchlein» macht bei Männern im Alter keine gute Figur. Es hat auch Einfluss auf den Testosteronspiegel. Warum?

Gerade erhöhtes Bauchfett führt zu einer erhöhten Produktion von Östrogen, dem weiblichen Geschlechtshormon, das in geringen Mengen auch bei Männern vorhanden ist. Dies passiert, weil Fettzellen das Enzym Aromatase produzieren, das Testosteron in Östrogen umwandelt. Ein höherer Körperfettanteil kann somit den Testosteronspiegel senken. Allerdings: Längst nicht jeder Übergewichtige weist diese Problematik auf. Zu viel Bauchfett erhöht andererseits auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme, Bluthochdruck oder Diabetes.

In welchen Fällen ist es sinnvoll, Testosteronpräparate zu verabreichen?

Liegt eine klare Diagnose eines Testosteronmangels vor und bestehen auch die entsprechenden Beschwerden und Symptome, sind neben den medizinischen Massnahmen auch Anpassungen des Lebensstils notwendig. Je nach Patient braucht es zur Gewichtsreduktion zusätzlich eine Ernährungsberatung oder ein Trainingsprogramm. Schon kleine Veränderungen in den Lebensgewohnheiten können den Testosteronspiegel positiv beeinflussen. Wenn die Symptome allerdings so stark sind – etwa, wenn jemand sehr müde ist, depressiv verstimmt und auf dem Zahnfleisch läuft –, ist die Unterstützung durch eine Hormontherapie häufig sinnvoll. Manchmal braucht es diese nur zum Ankurbeln, um aus einer schweren Phase herauszukommen, und kann nach einem oder zwei Jahren wieder abgesetzt werden. Bei Patienten mit klaren Risikofaktoren wie nach einer Chemotherapie bei Hodenkrebs kann jedoch eine dauerhafte Testosteronersatztherapie erforderlich sein.

Sollten Männer ab 50 Jahren ihren Hormonspiegel routinemässig checken lassen?

Nein. Es ist ganz normal, dass im Alter die körperliche und geistige Erholungszeit bis zu einem gewissen Grad länger dauert. Das ist noch lange kein Indiz für Hormonmangel. Am besten thematisiert man die Beschwerden mit dem Hausarzt. Eine einfach zu behandelnde Schilddrüsenunterfunktion zum Beispiel kann sehr ähnliche Symptome wie Testosteronmangel hervorrufen und ist schnell abgeklärt. Liegen jedoch keine anderen Anhaltspunkte vor, kann man durchaus mit einem Bluttest den Testosteronwert messen lassen. Das Resultat zeigt, ob tatsächlich ein Hormonproblem besteht oder ob man in eine andere Richtung suchen muss.

Testosteron im Kurzporträt

Testosteron ist ein Sexualhormon, das nicht nur für die Bildung und Reifung der Spermien sowie die Körperbehaarung bei Männern verantwortlich ist, sondern auch bei vielen anderen Funktionen im Körper eine wichtige Rolle spielt. So steuert Testosteron neben der Libido (sexuelles Verlangen) auch das Muskelwachstum, die Bildung von roten Blutkörperchen sowie Wachstum und Dichte von Knochen und Haaren. Zudem beeinflusst Testosteron die geistige Leistungsfähigkeit und die Motivation. Es wird zu etwa 95 Prozent in den Hoden und in geringer Menge in den Nebennieren produziert. Auch Frauen produzieren geringe Mengen an Testosteron. Es beeinflusst neben den kognitiven Fähigkeiten und der Muskel-, Knochen- und Blutbildung auch die Libido und den Menstruationszyklus. Produziert wird es in den Eierstöcken und in den Nebennieren.