Der weibliche Zyklus

Ratgeber / Kind & Familie

Der weibliche Zyklus: Im Einklang mit den eigenen Jahreszeiten

24.03.2022 / von 

Der weibliche Zyklus ist weit mehr als nur Menstruation und Eisprung. Er spiegelt auch einen emotionalen Kreislauf wider, der Energie, Stimmung und Kreativität einer Frau deutlich beeinflussen kann.

Oh je, ein roter Fleck in der Hose! Oder: Nicht schon wieder die Periode … Viele Frauen verbinden mit ihrer Menstruation eher negative Gefühle. Dabei ist sie eigentlich ein Grund zur Freude, denn sie beweist, dass der weibliche Körper gesund und fortpflanzungsfähig ist. Zudem stellt sie lediglich einen Teil eines komplexen Zyklus dar – und zwar nicht nur eines biologisch-hormonellen, sondern auch eines emotional-mentalen.

Raffinierter Wiederholungsmodus

Als Startpunkt des weiblichen Zyklus gilt der erste Tag der Blutung, die im Durchschnitt drei bis sieben Tage dauert. Anschliessend beginnt ein Eibläschen in einem der Eierstöcke (Ovarien) zu wachsen, und die Gebärmutterschleimhaut baut sich wieder auf. Diese sogenannte Follikelreifung führt schliesslich zum Eisprung, um den herum die Frau für rund fünf Tage fruchtbar ist. Als Vorbereitung auf eine mögliche Schwangerschaft verdickt sich die Gebärmutterschleimhaut danach. Bei ausbleibender Befruchtung wird sie abgebaut und mit der nächsten Monatsblutung abgestossen. Gesteuert wird dieser repetitive Vorgang durch ein fein abgestimmtes, wellenartiges Wechselspiel in der Hormonproduktion.

Winter, Frühling, Sommer und Herbst

Analog zu diesem biologischen Kreislauf durchläuft die Frau einen inneren Zyklus, der in vier Phasen aufgeteilt ist. Die erste wird als innerer Winter bezeichnet und fängt mit der Monatsblutung an. Sie gilt als Ruhe- und Verwöhnpause, in der sich die Frau tendenziell zurückzieht und sammelt. Eine ehrliche Reflexion und ein eventuelles Neuausrichten von Prioritäten bieten sich für diese Zeit an.

Die anschliessende follikuläre Phase, also der Abschnitt der Eireifung, stellt den inneren Frühling dar, in dem alles zu blühen beginnt und die Energie zunimmt. Er ist geprägt durch Neugierde, Mut und Tatendrang und daher ein idealer Zeitpunkt, um Projekte anzupacken.

Der darauffolgende innere Sommer ist die Phase der Lebenslust und Sinnlichkeit. Er fällt zusammen mit dem Eisprung und bringt Ausdauer und Kraft zum Bäume-Ausreissen. In dieser Zeit sind Frauen oft extrovertiert und fühlen sich sehr wohl in Gesellschaft.

Wenn die Gebärmutterschleimhaut in der anschliessenden Lutealphase, auch Sekretionsphase genannt, aufgebaut wird, spricht man vom inneren Herbst. Er steht für Sensibilität und Loslassen. In dieser Zeit fällt es leicht, mit Illusionen aufzuräumen, Positives von Negativem zu unterscheiden und ein klares Fazit zu ziehen. Man nennt diese vierte Phase auch die Drachentage, da sie häufig mit dem prämenstruellen Syndrom (PMS) einhergeht. Mit dieser Bezeichnung werden verschiedene körperliche und psychische Beschwerden zusammengefasst, zu denen unter anderem Unterleibsschmerzen, Brustspannen, Depressionen oder Reizbarkeit gehören. PMS gilt als weitverbreitet, rund ein Drittel aller Frauen leidet in den Tagen vor der Monatsblutung darunter.

Harmonisch abgestimmt

Kennt man die Stärken und Schwächen dieser einzelnen Zyklusphasen, kann frau bewusster auf die momentanen Bedürfnisse des eigenen Körpers eingehen und den Alltag entsprechend gestalten: also im richtigen Moment Vollgas geben, ein Brainstorming machen oder eben auf die Bremse treten. Um den eigenen Körper besser kennenzulernen, lohnt sich das Führen eines Zykluskalenders, in dem nicht nur die Blutung, sondern auch die jeweiligen Befindlichkeiten eingetragen werden. Dieses Tracking kann helfen, Pläne oder Termine auf günstigere Tage zu legen und so das Beste aus den inneren Jahreszeiten herauszuholen.

Josianne Hosner
Eine positive Einstellung zum Zyklus gibt eine positive Beziehung zum eigenen Körper.

Josianne Hosner

Zyklusexpertin und Autorin

Wie sind Sie zur Menstruations- und Zyklusexpertin geworden?

Ich mochte meine Periode schon immer und war stets erstaunt, wenn andere darüber schimpften. Das liegt wohl an meiner Naturverbundenheit und dem Interesse für andere Völker, bei denen dieses Thema ganz anders gehandhabt wird. Mithilfe von Literatur zum Thema habe ich mich in den weiblichen Zyklus eingelesen und mit Kursen – vor allem im englischsprachigen Raum – weitergebildet.

Warum ist die Menstruation noch häufig mit Scham verbunden?

Die Blutung gilt leider oft als unreine Störung, die uns am normalen Funktionieren hindert. Gleichzeitig zeigt uns die Werbung, wie wir sie mit den richtigen Produkten unsichtbar machen und perfekt aktiv und sexy sein können. Dieser Widerspruch zur Realität löst gerade bei jungen Frauen das Gefühl aus, etwas falsch zu machen.

Wodurch können Frauen eine positivere Beziehung zum eigenen Körper bekommen?

Es klingt simpel, ist aber sehr effektiv: die Einstellung ändern! Es hilft schon sehr, wenn man den Zyklus nicht ablehnt – und sich selber besser kennt und akzeptiert.

Viele Frauen leiden am PMS. Wie kann man besser damit umgehen oder es gar mindern?

In der Zeit vor der Blutung bräuchten wir hormonell bedingt mehr Ruhe. Wenn wir das im Berufs- und Familienalltag ignorieren, verursacht das Stress, was meiner Erfahrung nach eine häufige Ursache für PMS-Schmerzen ist. Frauen müssen diese aber nicht als gegeben hinnehmen, sondern versuchen, mit Neugierde und Wohlwollen auf ihre Bedürfnisse einzugehen.

Welche Zyklusphase ist für Sie die schwierigste oder die schönste? Warum?

Am schwierigsten ist für mich die Zeit kurz nach der Mens, also der Übergang vom inneren Winter in den Frühling. Da bin ich oft müde und antriebslos. Ich schaue dann, wie ich Unterstützung organisieren und Leichtigkeit gewinnen kann. Am liebsten sind mir die Drachentage, die ich als Qualitätskontrolle nutze: Gestalte ich meinen Alltag passend? Lasse ich los, was nicht guttut? Und: Übernehme ich Verantwortung für mich und meine Gefühle oder schiebe ich alles einfach auf die Hormone?

Zyklisches Leben im Familienalltag

Frauen sind zyklische Wesen in einer linearen Welt und durchlaufen jeden Monat hormonelle Veränderungen. Beobachten Sie sich und setzen Sie diese Erkenntnisse gezielt ein, um sich vor Überforderung oder Ausbrennen zu schützen.

  • Klären Sie auf eine positive und tabufreie Art Ihre Familie über den biologischen und inneren Menstruationszyklus auf und beziehen Sie auch kleine Kinder mit ein.
  • Egal ob Abenteuerlust oder eine Pause auf dem Sofa: Klare Ansagen und konkrete Vorschläge stossen nicht selten auf grosses Verständnis.
  • Stehen Sie für Ihre eigenen Bedürfnisse ohne schlechtes Gewissen ein. Gehen Sie damit Ihrer Familie als gutes Beispiel für Selbstfürsorge voran.
  • Es muss nicht immer alles perfekt aufgeräumt sein. In energieärmeren Phasen können Sie zudem Aufgaben delegieren – oder in aktiven Momenten vorkochen und Speisen einfrieren.